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Schadens- und Erfüllungsansprüche gegen den Lebensversicherer Clerical Medical

Der IV. Zivilsenat des BGHs hat am 11.07.2012 in mehreren Verfahren darüber entschieden, welche Ansprüche Versicherungsnehmern, die in den Jahren 2001 und 2002 kreditfinanzierte Lebensversicherungsverträge des Produkttyps „Wealthmaster Noble“ bei dem englischen Lebensversicherer Clerical Medical Investment Ltd. abgeschlossen haben, gegen diesen Versicherer zustehen.
Den Verfahren unter den Aktenzeichen IV ZR 151/11 und IV 164/11 lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger haben bei diesen anteilsgebundenen Lebensversicherungen gegen Zahlung eines Einmalbetrags Anteile an einem „Pool mit garantiertem Wertzuwachs“, dem „Euro-Pool 2000EINS“, erworben. Die Verträge, die die Kläger jeweils aufgrund einer Werbung durch „Untervermittler“ geschlossen haben, sind eingebettet in ein Anlagemodell „Europlan“. Dieses Anlagemodell sieht vor, dass die Zinsen für das Bankdarlehen durch vertraglich bedungene Auszahlungen aus der Lebensversicherung zu entrichten sind und im Übrigen durch einen Investmentfonds ein Kapitalstock gebildet wird, der bei Endfälligkeit des Darlehens zu dessen Tilgung verwendet werden soll, während weitere über diesen Zeitpunkt hinausreichende Auszahlungen den Versicherungsnehmern als fortlaufende Rente zur Verfügung stehen sollen.

Nachdem der Wertzuwachs der den Klägern zugeteilten Poolanteile in der Folgezeit nicht ausreichte, um die zunächst getätigten Auszahlungen in vollem Umfang zu decken, reduzierte der beklagte Versicherer unter Berufung auf seine Versicherungsbedingungen die Anzahl der den Klägern zugewiesenen Anteile und damit den jährlich mitgeteilten Vertragswert.

Die Kläger machten in erster Linie Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit den Vertragsabschlüssen geltend. Sie beriefen sich u.a. darauf, dass der Versicherer mit unrealistischen Renditeerwartungen geworben habe bzw. durch ihre Untervermittler habe werben lassen, und verlangten Ersatz des ihnen durch Abschluss der Verträge entstandenen Vertrauensschadens, insbesondere Freistellung von den Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen.

In der Vorinstanz hat das OLG Stuttgart in beiden Verfahren den Versicherer jeweils zur Erfüllung des in den Versicherungsscheinen festgelegten Auszahlungsplans verurteilt. Die primär geltend gemachten Schadensersatzansprüche hat es im Hinblick auf das Bestehen dieser Erfüllungsansprüche allerdings abgewiesen.

Auf die Revisionen der Parteien hat der Bundesgerichtshof die Berufungsurteile aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Die Richter am Bundesgerichtshof begründeten ihre Entscheidungen im Wesentlichen wie folgt:

Auf Grundlage der schriftlichen Vertragsunterlagen ist anzunehmen, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Erfüllung der in den Versicherungsscheinen vorgesehenen Auszahlungspläne nicht unter dem Vorbehalt einer ausreichenden Kapitaldeckung stehe. Die objektive Auslegung der in die Verträge einbezogenen Policenbedingungen des Versicherers ergibt keine wirksame Einschränkung dieser Verpflichtung.

Die vom OLG Stuttgart insoweit ausgesprochenen Verurteilungen konnten nur deshalb nicht bestehen bleiben, weil diesen dem unter Beweis gestellten Vortrag des Versicherers, dass die Parteien den fraglichen Klauseln aufgrund entsprechender Erläuterungen des Vermittlers beim Vertragsabschluss übereinstimmend ein von dem Ergebnis objektiver Auslegung abweichendes Verständnis beigelegt hätten, nicht nachgegangen war. Insoweit bedarf es nach Ansicht der Richter am Bundesgerichtshof weiterer Feststellungen.

Weiter haben die Richter am Bundesgerichtshof festgestellt, dass die geltend gemachten Schadensersatzansprüche nicht allein wegen des Bestehens der vorstehend genannten Auszahlungsansprüche abgewiesen werden durften. Insoweit ist es für einen Schaden ausreichend, dass der abgeschlossene Vertrag sich für die Kläger auch ungeachtet bestehender Erfüllungsansprüche als wirtschaftlich nachteilig darstellt, weil er sie u.a. aufgrund der eingegangenen Darlehensverpflichtungen in ihrer wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit beeinträchtigt und ihren Anlagezielen nicht entspricht.

Zu den Schadensersatzansprüchen hat der Bundesgerichtshof ferner ausgeführt:

Der Abschluss der Lebensversicherung „Wealthmaster Noble“ stellt sich bei wirtschaftlicher Betrachtung in erster Linie als ein Anlagegeschäft dar, weshalb der Versicherer wie bei sonstigen Anlagegeschäften auch verpflichtet war, die Kläger bereits im Rahmen der Vertragsverhandlungen vollständig über alle Umstände zu informieren, die für ihren Anlageentschluss von besonderer Bedeutung waren.

Der Versicherer hat sich in diesem Rahmen nach § 278 BGB das Handeln und die Erklärungen der tätig gewordenen Untervermittler zurechnen lassen, da der Versicherer im Rahmen eines so genannten Strukturvertriebs die mit dem Vertrieb der Lebensversicherung in Deutschland verbundenen Aufgaben selbständigen Vermittlern überlassen hat.

Die bestehenden Aufklärungspflichten hat der Versicherer insbesondere dadurch verletzt, dass er den Klägern ein unzutreffendes, zu positives Bild der zu erwartenden Rendite gegeben hat. Den Klägern wurden Musterberechnungen übergeben, die auf einer Renditeprognose von 8,5 % basieren, obwohl der Versicherer selbst nur eine Rendite von 6 % als realistisch angesehen hat, was in den Hinweisen zu den Musterberechnungen nicht ausreichend deutlich kenntlich gemacht wurde.

Des Weiteren war der Versicherer zu einer verständlichen Information darüber verpflichtet, dass er im Rahmen des von ihm praktizierten Glättungsverfahrens („smoothing“) nach eigenem Ermessen darüber entscheidet, in welcher Höhe eine tatsächlich erzielte Rendite an die Versicherungsnehmer weitergeben wird und in welcher Höhe sie in Reserven fließt. Der Versicherer musste ferner darüber aufklären, dass die mit den Beiträgen der Kläger gebildeten Reserven auch zur Erfüllung der Garantieansprüche der Anleger anderer Pools verwendet werden können (Problem der Quersubventionierung).

Die in den Policenbedingungen enthaltenen Regelungen zur „Marktpreisanpassung“ haben die Richter am Bundesgerichtshof für unwirksam erachtet, weil sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstoßen.

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat in drei weiteren ähnlich gelagerten Fällen ebenfalls mit entsprechenden Begründungen aufgehoben und die Sachen zur neuen Verhandlung und Entscheidung an die Berufungsgerichte zurückverwiesen (Urteile vom 11. Juli 2012, Aktenzeichen IV ZR 122/11, IV ZR 271/10 und IV ZR 286/10).

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