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Was gilt, wenn der Versicherungsschein einer Berufsunfähigkeitsversicherung zu Gunsten des Versicherten vom Versicherungsantrag abweicht?

Was passiert, wenn der Versicherungsschein eine für den Versicherungsnehmer günstigere Regelung enthält, als dies ursprünglich im Versicherungsantrag vorgeschlagen war?

Hierüber entschied der Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. 6. 2016 - IV ZR 431/14:

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin machte Ansprüche aus einer Berufsunfähigkeitsversicherung geltend. Sie stellte am 5.8.2009 den Antrag auf Versicherung. In diesem Antrag hieß es, dass keine Ansprüche aus Berufsunfähigkeit bestehen, wenn sie eine Tätigkeit ausüben kann, zu der sie aufgrund ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten in der Lage ist und die ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht. Man spricht insofern von einer abstrakten Verweisungsmöglichkeit des Versicherers.

Kurze Zeit später stellte die Versicherung den Versicherungsschein aus. Dieser verwies lediglich auf die Versicherungsbedingungen. Danach kam eine Verweisung auf eine andere Tätigkeit nur dann in Betracht, denn diese Tätigkeit konkret ausgeübt wird (konkrete Verweisungsklausel).

Die Versicherung berief sich nunmehr auf den Versicherungsantrag. Die Klägerin könne als Fachangestellte für Arbeitsmarktdienstleistungen tätig werden. Damit stünden ihr keine Leistungen aus der Versicherung zu. Die Klägerin berief sich darauf, dass sie keine entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausführe und dies nach dem Versicherungsschein auch nicht notwendig sei.

Der Bundesgerichtshof entschied, dass in diesen Fällen grundsätzlich der Versicherungsschein maßgeblich sei. Danach gilt der Inhalt des Versicherungsscheins, wenn der Kunde nicht binnen eines Monats widerspricht.

Der Bundesgerichtshof beruft sich hierbei auf § 5 I VVG und hält dabei an seiner Rechtsprechung aus dem Jahr 1995 - IV ZR 58/94 fest.

Eine Ausnahme könne nur dann gelten, wenn

  • der Versicherer in Wahrheit etwas anderes wollte
  • der Versicherungsnehmer dies erkannt hat und
  • dadurch also der Wille beider Parteien übereinstimmend auf eine andere Regelung gerichtet war.


Dann sei der wahre Wille der Erklärenden maßgeblich.

Das Oberlandesgericht hatte in der Berufung lediglich festgestellt, dass die Versicherungsnehmerin nicht erwarten dürfe, dass die Versicherung den Antrag ohne die abstrakten Verweisungsklausel annehmen werde. Der Bundesgerichtshof stellt in seinem Urteil vom 22.06.2016 - IV ZR 431/14 jedoch klar, dass es auf eine Kenntnis des Kunden ankommt. Dies war nicht festgestellt worden.

Sollte ein Kunde also übersehen, dass der Versicherungsschein vom Antrag abweicht und sollte dies für ihn eine Begünstigung sein, muss sich der Versicherer an dieser Begünstigung festhalten lassen.

Auch wenn der Kunde eine Abweichung zwischen Antrag und Versicherungsschein wahrnehmen sollte, ist nicht ohne weiteres damit gesagt, dass er von einem Fehler der Versicherung ausgehen muss. Vielmehr kann er auch den Eindruck gewinnen, dass ganz bewusst zu seinen Gunsten von dem Antrag abgewichen worden ist. Auch in diesem Falle dürfte es bei der günstigen Auslegung bleiben.

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